Rüdiger Plantiko

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Der Mönch Johannes Cassian (ca. 360 - ca. 435) verbrachte vierzehn Jahre seines Lebens bei den ägyptischen Wüstenmönchen: Experten im spirituellen Leben und in geistigen Kämpfen. Später, als Abt eines von ihm gegründeten Klosters in Marseille, schrieb er in dem Buch Von den Institutionen auf, was er von und mit den heiligen Männern über das geistige Leben gelernt hatte.
  1. Die erste, grundlegende Arbeit des Mönchs ist der Kampf gegen die Gier beim Essen und Trinken.
  2. Danach folgen der Kampf gegen die sexuelle Zügellösigkeit,
  3. der Kampf gegen die Geldgier (überraschendes Kampffeld für Wüstenmönche, die der Welt doch entsagt haben),
  4. der Kampf gegen den Zorn,
  5. der Kampf gegen den Trübsinn (tristitia),
  6. der Kampf gegen den Überdruss (acedia),
  7. der Kampf gegen die Geltungs- oder Ruhmsucht
  8. und schliesslich der Kampf gegen den Hochmut.
Statt der sieben Todsünden kennt Cassian also acht Abirrungen der Seele, durch die sie von der Vorbereitung des neuen geistigen Lebens abgehalten wird. Man muss kein Wüstenmönch sein, um die kontinuierliche Arbeit an den menschlichen Schwächen sinnvoll zu finden. Cassian beginnt nicht von ungefähr mit dem Thema Essen und Trinken, dem fundamentalen und leiblichsten aller Arbeitsfelder. Er weiss, dass das zügellose Essen und Trinken nicht nur den Leib, sondern auch den Geist schwer, träge und fett macht. Er weiss auch, dass das blosse Fasten, also die Vermeidung des Essens, die Begierde nach Essen und Trinken nicht abschwächen kann, sondern in einzelnen Fällen sogar noch verstärkt. Idealerweise soll man das Essen eben gar nicht gross beachten, als eine zwar notwendige, aber nicht wichtige Betätigung zur Aufrechterhaltung des Leibes.
"Auf dreifache Weise kann man der Gier beim Essen und Trinken Herr werden:
  1. Die Essenszeiten einhalten
  2. Den Magen nicht vollstopfen
  3. Kein Leckermaul sein, das auf Schlemmereien und Extravagantes erpicht ist."
Die Fressgier hat auch eine geistige Dimension:
"Denn auch der Geist hat seine schädlichen Speisen, und ist er durch diese fett geworden, dann kugelt er, auch ohne Überfluss an körperlichen Speisen, in den Abgrund der Üppigkeit. Fettmachende Speisen des Geistes sind:
  • Zerstreuung (sehr angenehm zu essen),
  • Zorn (bereitet für Augenblicke eine höchst verhängnisvolle Befriedigung),
  • Neid und Eifersucht (das sind vergiftende Säfte),
  • Eitle Ruhmsucht (ist eine Zeitlang ein ergötzlicher Genuss, macht aber auf die Dauer arm und steril).
Jede Neugier und alles unstete Herumschweifen des Geistes füttert die Seele mit Schadstoffen."
Beim Surfen werde ich in Zukunft daran denken! :-)

(Zitate aus: Johannes Cassian, Spannkraft der Seele, übersetzt und eingeleitet von Thomas und Gertrude Sartory, Herderbücherei Nr. 839.)

Veröffentlicht: Sonntag, den 24. Juli 2011