Jeder Mensch hat einen Stern – dieser Satz gibt Zeugnis von der Würde, die die hellenistisch-christlich-jüdische Tradition – jedem einzelnen Menschen gibt. Jeder einzelne Mensch ist etwas Kostbares, es ist etwas Grosses und Geheimnisvolles um ihn und sein Leben. Das Leben des Menschen, das Gewebe aus seinen Handlungen und seinem Schicksal ist immer viel grösser und geheimnisvoller, als dass er es selbst vollständig aufhellen könnte.
Der Stern ist aber auch ein Zeichen des Hoffens und der Ideale, etwas, zu dem man aufblickt. Er ist etwas, was in den Menschen hineinleuchtet und sich, wie Kant sagt, in dem moralischen Gesetz in ihm widerspiegelt: Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmenden Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir. (Kritik der praktischen Vernunft, Werke, Bd. 7, S. 300) Jeder Mensch hat etwas, woran er sich orientiert, ein Innerstes, Kostbarstes, das ihm auch in turbulenten Zeiten den Weg anzeigt – oder besser: anzeigen kann, wenn er darauf zu achten bereit ist.
Der Stern ist eine Orientierung für unser Lebensschiff. Wenn der Stern nicht mehr zu sehen ist, können wir uns im Auf und Ab des Lebens verlieren, unser Wesentliches vergessen. Wer dies über eine längere Zeit hinweg tut, läuft Gefahr, das Leben zu verachten. Sein eigenes ebenso wie das seiner Mitmenschen.